Siemens Group Kommunikationschefin Clarissa Haller zu Corona und was danach kommt:
„Nicht nur das Beste aus der Situation, sondern etwas Neues machen“

Head of Group Communication bei Siemens, Clarissa Haller, ist nicht nur die Frau, die Siemens CEO Joe Käser sagt, was er in der Öffentlichkeit sagen soll. Gleich wie ihrem Chef fällt es ihr leicht, auf Standardsätze und glattgelutschte Aussagen zu verzichten und eine klare Meinung zu vertreten.

So scheute sie sich nicht davor, an der Abschlussveranstaltung der CAS Leadership und Community Communication der ZHAW in Winterthur zu sagen: „Ich arbeite nicht mit Arschlöchern zusammen – das kostet zu viel Zeit und Nerven.“ Zum Thema Leadership sagt sie weiter: „Ich stelle schon lange nur Leute ein, die viel klüger sind als ich, dann habe ich selber weniger Arbeit.“ Sie ist überzeugt, dass Vorgesetzte lernen müssen, loszulassen und Vertrauen in die Mitarbeitenden zu haben. „Als Vorgesetzte ist es meine Aufgabe, nicht mich selber zu entfalten, sondern ein Umfeld zu kreieren, in dem sich meine Leute entfalten können.“
Was bleiben wird, trotz oder auch nach der Corona-Krise ist für Clarissa Haller klar: „Die Präsenzkultur in den Unternehmen wird sich verändern, es wird noch vermehrt nicht mehr die Präsenz ausschlaggebend für eine Karriere sein, sondern das Ergebnis. Permanent vor Ort sein um Karriere zu machen ist outdated. Niemand kann heute mehr sagen, Homeoffice geht nicht.“ Die Corona-Krise wird uns zudem zwingen, „nicht nur das Beste aus der Situation zu machen, sondern etwas Neues zu kreieren.“ Wichtig beim Remote Arbeiten sei der Kontakt untereinander und dass der Austausch und das Zusammengehörigkeitsgefühl trotzdem gefördert und gestärkt werden. Siemens pflegt dies mit einem neuen „Friday wisdom“-Anlass, wo sich jeden Freitag ein Gast einloggt und zu einem Thema spricht. Auch das Townhall Meeting-Konzept wurde erneuert und der Anlass virtuell durchgeführt, moderiert von einem Instagram Avatar.
Auch über den Fachkräftemangel äusserte sich Clarissa Haller. Vor allem im Bereich Analytics gäbe es im deutschsprachigen Raum zu wenig Spezialisten. In den USA seien die zwar vorhanden, allerdings sehr teuer. Der Siemens-Konzern betreibt deshalb in Südafrika ein eigenes Analyticenter und lässt auch dort seine Artificial Intelligence bauen.
Familienpersonen rät sie, sich mutig und angstlos im Berufsumfeld zu bewegen und unabhängig zu bleiben. „Es kommt immer etwas Neues, woran man wachsen kann.“ Ein guter Partner ist speziell für Karrierefrauen mit Kindern Voraussetzung und wichtig sei es auch Eingeständnisse zu machen, wie das von der zweifachen Mutter Clarissa Haller: „Ich habe mich von der Idee verabschiedet, eine gute Hausfrau zu sein.“

Text: Tina Wintle